Die akute Durchblutungsstörung der Beine, die sogenannte akute Beinischämie, beruht auf einer plötzlichen Unterbrechung der Blutversorgung, was zu einer vitalen Bedrohung des betroffenen Beines führt. Sie gehört bereits heute zu den häufigsten gefässchirurgischen Notfällen, und es ist anzunehmen, dass aufgrund demographischer Entwicklungen das Risiko solcher Durchblutungsstörungen in der Bevölkerung in Zukunft sogar noch zunehmen wird. Trotz enormer technischer Fortschritte haben sich allerdings die Behandlungsergebnisse bei der akuten Beinischämie in den letzten Jahrzehnten erstaunlicherweise kaum verbessert. Die Hauptsorge gilt bei diesem Notfall selbstverständlich dem drohenden Verlust des Beines. Immerhin müssen je nach Schweregrad der Durchblutungsstörung zwischen 20 und 30 Prozent der Betroffenen am Unterschenkel oder darüber amputiert werden. Bei besonders schweren Fällen ist aber sogar das Leben des Patienten bedroht. Drei Faktoren bestimmen den Schweregrad: die absolute Dauer der Mangeldurchblutung des Gewebes, wie vollständig die Durchblutung unterbrochen ist und, paradoxerweise, die Art und Geschwindigkeit der Wiederherstellung der Durchblutung. Obwohl eine möglichst schnelle Wiederherstellung einer ausreichenden Durchblutung die Voraussetzung für die Rettung des Beines ist, kann eine rasche Wiederherstellung der Durchblutung aber auch zu einer Ausdehnung des Gewebeschadens führen. Moderne Behandlungsverfahren zielen deshalb darauf ab, neben der beschleunigten Wiederherstellung der Durchblutung diesen sogenannten Reperfusionsschaden möglichst klein zu halten.
Diagnostik und klinisches Bild
Wichtigste Planungsgrundlage der Behandlung sind die genaue Krankheitsgeschichte und die klinische Untersuchung. Wichtige Informationen sind Auftreten und Dauer der Beschwerden, das Vorliegen einer Herzerkrankung, eine vorbestehende Durchblutungsstörung der Beine (die sich zum Beispiel als Schaufensterkrankheit äussern kann) und die aktuellen Medikamente, die der Patient regelmässig einnimmt (z.B. blutverdünnende Medikamente jeglicher Art). Hauptursachen für akute Arterienverschlüsse sind Blutgerinnsel, die beispielsweise im Herzen entstanden und von dort mit dem Blutstrom mitgerissen worden sind, und vorbestehende lokale Wandveränderungen (sogenannte Atherosklerose), die zu einer Einengung des Gefässes führen. Seltener sind Gerinnungsstörungen oder unfallbedingte Gefässverschlüsse. Blutgerinnsel aus dem Herz machen ca. 85 Prozent aller akuten Verschlüsse aus, Sie bleiben sehr häufig in den Leistengefässen hängen. In solchen Fällen sind die Symptome meist sehr stark ausgeprägt, da das Gefässsystem ansonsten gesund ist und sich nicht an eine Mangeldurchblutung gewöhnen konnte, und weil das ganze Bein betroffen ist. Zu den häufigsten Symptomen gehören der Schmerz, die Gefühlsstörung, ein abgeblasster weisser Fuss, und die Muskellähmung. Diese akuten Symptome sind bei vorbestehender chronischer Durchblutungsstörung meist weniger stark ausgeprägt.
Therapie
Die erste Massnahme ist die Verabreichung eines Blutverdünners, der das Fortschreiten des Problems verhindern soll. Danach muss der lokale Gefässverschluss wieder durchgängig gemacht werden. Die klassische Methode ist der grosse Ballonkatheter, der über einen Leistenschnitt ins Gefäss eingeführt wird. Diese Methode kommt vor allem dann in Frage, wenn der Verschluss die grossen Gefässe betrifft. Je weiter fusswärts der Verschluss liegt, desto eher eignen sich kathethertechnische Saug-Verfahren, für die schmalkalibrige Katheter direkt durch die Haut (ohne Schnitt) eingeführt werden können. In weniger dringenden Fällen kann auch versucht werden, das Gerinnsel medikamentös aufzulösen. Dazu muss ein Spülkatheter 12 bis 24 Stunden im Gerinnsel liegen bleiben, bis das Gerinnsel ausreichend aufgelöst ist. Die Wahl der Behandlung richtet sich also nach dem Lokalbefund, aber auch dem Gesamtzustand des Patienten. Sollte bereits bei Eintritt des Patienten ein so ausgedehnter und nicht mehr behebbarer Gewebeschaden vorliegen, sodass das Bein ohnehin abstirbt, muss eine rasche Amputation durchgeführt werden, um das Leben des Patienten nicht zu gefährden.
Nachbehandlung
Manchmal kommt es nach der Wiederherstellung der Durchblutung zu einer so massiven Schwellung der Beinmuskulatur, dass die überliegende Haut und Muskelhaut eröffnet werden müssen, um für die Muskeln und die Nerven Platz zu schaffen. Diese Wunden können erst nach genügender Abschwellung wieder verschlossen werden. Die sonstige Nachbehandlung richtet sich nach der Ursache der plötzlichen Durchblutungsstörung. Die meisten Patienten brauchen eine medikamentöse Behandlung mittels Blutverdünner, der täglich eingenommen und regelmässig auf seine Wirksamkeit überprüft werden muss. Zusätzlich muss eine mögliche Quelle weiterer Blutgerinnsel gesucht und behandelt werden. Dazu wird unter anderem ein spezieller Herzultraschall sowie ein Langzeit-EKG zum Ausschluss von Rhythmusstörungen durchgeführt. Gelegentlich wird sogar eine Computertomografie des Brust- und Bauchraumes benötigt, um Wandschäden mit Ablagerungen in den grossen Schlagadern wie der Brust- oder Bauchschlagader, auszuschliessen. Die Dauer der Blutverdünnung richtet sich nach den Befunden solcher Abklärungen, meist handelt es sich aber um eine Langzeitbehandlung. Liegt der akuten Durchblutungsstörung hingegen primär eine chronische Gefässkrankheit am Bein zugrunde, folgt die (Nach-)Behandlung den Therapierichtlinien für die Schaufensterkrankeit (PAVK), welche in einem eigenen Kapitel ausführlich beschrieben wird.